Qualität ist der Konjunktur unterworfen. Das ist traurig, lässt sich aber nicht bestreiten, wenn man die geschichtliche Entwicklung betrachtet. Nach dem 2. Weltkrieg hatten die heimkehrenden amerikanischen GIs die Taschen voller Geld. Im Krieg hatten sie keine Gelegenheit gehabt, die Greenbacks auszugeben. Die Nachfrage nach Autos stieg enorm. Den Firmen in Detroit, allen voran General Motors, wurden die Wagen fast aus den Händen gerissen. Qualität war nur ein untergeordneter Faktor. Ein amerikanischer Qualitätsfachmann hat einmal behauptet, die Autos wären auch verkauft worden, wenn sie nur drei Räder gehabt hätten. So enorm war die Nachfrage.
Ganz anders in Japan. Dort lag die Wirtschaft in Folge des verlorenen Kriegs in Trümmern. General MacArthur holte einen Fachmann ins Land, der im Krieg geholfen hatte, die Qualität der Produktion der USA zu sichern: W. Edwards Deming. Es war nie die Strategie der japanischen Regierung, auf allen Gebieten im Weltmarkt erfolgreich zu sein. Man suchte sich ganz im Gegenteil bestimmte Felder aus, auf denen man sich Chancen ausrechnete. Die Automobilindustrie war so ein Sektor. In den 60er Jahren lehrten die Japaner den Konzernen in Detroit das Fürchten. Sie vertrieben auch einen deutschen Anbieter vom US-Markt: VW. Zurückzuführen waren diese Erfolge nicht zuletzt darauf, weil man in Japan die Lehre von Deming annahm, konsequent umsetzte und weiter entwickelte.
Jahre später sollte sich eine ähnliche Entwicklung im Chipmarkt wiederholen. Japanische Unternehmen waren sehr erfolgreich darin, ihren Prozess zu gestalten. Die Ausbeute lag weit höher als bei den Konkurrenten aus den Vereinigten Staaten. Das ermöglichte es japanischen Anbietern, die Preise zu senken. Intel, Texas Instruments und Motorola, immerhin Erfinder der integrierten Schaltungen, waren gezwungen, die Fertigung von Speicherchips aufzugeben. Sie konnten preislich einfach nicht mehr mithalten. In den 80er Jahren war die Botschaft auch bei Ford angekommen. Man sah ein, dass der Erfolg japanischer Hersteller weder an den niedrigeren Löhnen noch an unfairen Handelspraktiken lag. Man bat Deming um Hilfe. Ford war der erste der Big Three in Detroit, der Demings Methoden anwandte. Bei GM sollte es noch ein paar Jahre dauern. Wie schon ein Vorstandsvorsitzender von Siemens gesagt hat: "Dass der schwere Tanker die Fahrt ändert, ist immer die schwerste Aufgabe."
Qualität hat also nicht immer Konjunktur, aber eines kann man mit Sicherheit sagen: Auf mittlere und lange Sicht setzt sich Qualität immer durch. Das gilt besonders für ein Konsumklima, in dem der Markt durch Sättigung gekennzeichnet ist. Wenn alle Güter ungefähr gleich viel kosten, dann wird die Qualität zum entscheidenden Faktor für die Kaufentscheidung. Ein Grund für hohe Qualität, der oft übersehen liegt, ist dem Unternehmen selbst zuzuordnen. Ein Produkt, ein innovatives Design, eine Vertriebsform lässt sich leicht kopieren. Binnen Monaten und Jahren ist die Konkurrenz mit einem ähnlichen Angebot im Markt. Der errungene Wettbewerbsvorteil bleibt nicht lange bestehen.
Anders bei der Qualität. Sie ist keine Eigenschaft, die sich an einem Merkmal festmachen lässt. Vielmehr muss eine Vielzahl von Maßnahmen getroffen werden, sowohl beim Produkt als auch im Prozess der Herstellung, um hohe Qualität zu erreichen. Damit ist dieser Faktor für einen Konkurrenten sehr schwer kopierbar. Der Wettbewerbsvorteil lässt sich über Jahre hinweg aufrecht erhalten.
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